Interview mit einem ESG Due Diligence Auditor

Die Überprüfung der Nachhaltigkeitsperformance einer Immobilie ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden neben der finanziellen, der operativen und der steuerlichen Analyse von Gebäuden. Durch die Betrachtung von ESG-Faktoren (Environmental, Social and Governance) bei Immobilien können Kosten gesenkt und Wertsteigerungschancen verwirklicht werden. Um eine Nachhaltigkeitsperformance auf Gebäudeebene zu ermitteln, eignet sich am besten eine sog. ESG Due Diligence (ESG DD).

Was bedeutet das im Einzelnen?

Dieser Frage bin ich gemeinsam mit meinem Arbeitskollegen Sebastian Rienäcker nachge­gangen, welcher ein erfahrener ESG DD Auditor ist.

Herr Rienäcker, seit einigen Jahren führen Sie für viele verschiedene Kunden deutschlandweit ESG DDs durch. Können Sie kurz erläutern, was ich mir darunter vorstellen kann?

Eine ESG Due Diligence ist eine Art Audit, das die Hauptfelder Umwelt, Soziales und Governance (ESG) umfasst. Die Kategorien unterscheiden sich nach Bestandsimmobilien und Neubauprojekten. Für jede einzelne Kategorie betrachte ich verschiedene Aspekte. So untersuche ich zum Beispiel im Bereich Umwelt die Wasser- und Energieeffizienz, das Abfallmanagement wie auch die Resilienz und erstelle einen möglichem Klimaschutzfahrplan. Im Bereich Soziales betrachte ich Faktoren wie Gesundheit und Wohlbefinden, Mobilität aber auch die Stakeholdereinbindung. Schlussendlich handelt es sich bei dem Punkt Governance um diverse rechtliche Bereiche, wie zum Beispiel die Prüfung der Konformität im Bereich Brandschutz, Gefahrstoffe sowie Energieeinsparverordnung (Gebäudeenergiegesetz).

Wie verläuft eine typische Begehung für eine ESG DD und wie kann sich ein Auftragnehmer auf das Audit vorbereiten?

Je nach Projekttyp kann eine Begehung für eine ESG DD zwischen zwei und vier Stunden betragen. Hierzu ist die Immobiliengröße der ausschlaggebende Punkt. Kleine Logistikhallen sind von der technischen Ausstattung und Komplexität anders als riesige Bürokomplexe mit Einzelhandel-Mischnutzung.

Im Gegensatz zu einer Technischen Due Diligence (TDD), bei der jedes technische Detail und jeder bauliche Mangel unter die Lupe genommen wird, liegt der Fokus bei der ESG DD eher auf der ganzheitlichen Betrachtung der Immobilie und ihrer Risiken in den oben beschriebenen Bereichen Umwelt, Soziales und Governance.

Für die Berichtserstellung benötige ich diverse Dokumente, wie unter anderem eine Baubeschreibung, einen Wärmeschutznachweis, einen Freiflächengestaltungsplan sowie eine Altlastenauskunft. Des Weiteren ist eine persönliche Begehung vor Ort essenziell. Bei dieser überprüfe ich unter anderem die technische Gebäudeausstattung, wie z. B. die Lüftungstechnik, die Art der Heizung, Beleuchtung und die Wasserzähler des Gebäudes. Zudem messe ich vor Ort den Wasserdurchfluss der Armaturen zur Bestimmung der Wassereffizienz sowie die Lichtintensität am Arbeitsplatz, um zu überprüfen, ob diese mit der Arbeitsstättenrichtlinie konform ist. Die Begehungen finden meist mit einem Haustechniker oder einem Mitarbeiter des Facility Managements statt, da ich den Zugang zu den Technik- und Mietbereichen benötige. Nur so kann ich einen adäquaten und ganzheitlichen Eindruck der Immobilie gewinnen.

Schlussendlich führe ich für einige wichtige Aspekte der ESG DD eine Internetrecherche durch. Insbesondere für die Bereiche Mobilität, wie Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und Anbindung an Radwege, Internetanbindung und mögliche Naturrisiken wie Hochwasser, Starkregen, Stürme oder Radon ist die Internetrecherche unabdingbar für mich.

Eine Besonderheit, die Sie angesprochen haben, ist der sog. Klimaschutzfahrplan. Was hat es damit auf sich?

Hauptsächlich geht es in dem Klimaschutzplan um den ökologischen Fußabdruck eines Gebäudes – also um den Ausstoß von Treibhausgasemissionen – und darum, wie dieser bis 2050 minimiert werden kann. Die Besonderheit dabei ist die Betrachtung der zeitlichen Komponente. Diese beschreibt exakt die bis zum Jahr 2050 zunehmenden Anforderungen bezüglich der Minderung der CO2-Emissionen und des Endenergieverbrauches. Da Gebäude bis 2050 gemäß Pariser Klimaschutzabkommen konkrete Einsparungsziele erreichen sollen, gelten bestimmte Kennenzahlen.

Und wie verläuft die Erstellung solch eines Planes?

Um den Klimaschutzfahrplan erstellen zu können, beschreibe ich zunächst die Ausgangslage des Gebäudes. Mithilfe der im Gebäude verbrauchten Energieträger und der genutzten Kältemittel ermittle ich die aktuellen CO2-Emissionen und setze diese in Bezug zur Gebäudefläche. Anhand von Standort und Nutzungsart kann ich schließlich gebäude­bezogene Entwicklungspfade für den Zeitraum der kommenden 30 Jahre bestimmen. Diese Entwicklungspfade beinhalten jahresbezogene Maximalwerte für CO2-Emissionen und Endenergieverbräuche.

Alles läuft daraus hinaus, dass spätestens zum Jahr 2050 Gebäude annähernd klimaneutral betrieben werden. Je höher die Emissionen aktuell für ein Gebäude sind, desto größer sind also die Kraftanstrengungen, die bis zum Jahr 2050 unternommen werden müssen. Meine Aufgabe als Berater ist es, technisch machbare und wirtschaftlich tragbare Maßnahmen zu entwickeln, die – gestaffelt über den Zeitraum der nächsten 30 Jahre – einen Betrieb im Einklang mit den Maßgaben des Pariser Klimaschutzabkommens sicherstellen.

Das klingt extrem spannend. Gibt es denn weitere Besonderheiten, die betrachtet werden?

ESG DDs weisen thematisch große Schnittmengen mit aktuellen Green Building-Zertifizie­rungen auf, insbesondere mit solchen, die vorrangig den Gebäudebetrieb bewerten. Daher ist es durchaus üblich, dass ESG DDs mit sogenannten Pre-Checks kombiniert werden. Diese erlauben mir eine erste Einschätzung, welche Bewertung ein Gebäude im Rahmen einer Green Building-Zertifizierung erreichen könnte. Auf dieser Grundlage kann dann entschieden werden, ob der Weg einer Zertifizierung beschritten werden soll. Des Weiteren muss beurteilt werden, ob ggf. im Vorfeld Maßnahmen umgesetzt werden sollten, die ein vorteilhafteres Zertifizierungsergebnis erwarten lassen.

Nicht zu vergessen ist die ESG-Taxonomie, welche mittlerweile eine bedeutende Rolle bei der ESG-Bewertung spielt. Ausgewählte Indikatoren des ESG-Kriterienkatalogs werden dazu dahingehend spezifiziert, dass sie die im Zusammenhang mit der EU-Taxonomieverordnung abgefragten Projektqualitäten adressieren und eine Beurteilung bezüglich der Konformität des Projekts mit der Taxonomieverordnung erlauben.

Da werden also viele Aspekte in der ESG DD von Ihnen betrachtet. Am Ende steht noch die Frage offen, wie lange es von der Beauftragung bis zum fertigen Bericht dauert?

Das ist projektabhängig. Das kann, wie eingangs erwähnt, von einer kleinen, technisch einfachen Logistikhalle bis hin zu einem großen Bürogebäude mit Einzelhandel verschiedene Zeitrahmen annehmen. In der Regel sind ein bis vier Wochen üblich. Maßgeblich für die Bearbeitungszeit sind ebenfalls die Verfügbarkeit von Informationen zur Immobilie. Liegt ein kompletter Datenraum zur Beauftragung des Projektes vor, dann kann die Dokumentation zügig erstellt werden.

Herr Rienäcker, ich bedanke mich für das Interview.

Für weitere Fragen oder weitere Informationen zu einer ESG DD sprechen Sie uns oder gleich Herrn Rienäcker persönlich an. Wir freuen uns auf Ihr Interesse.

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