Die CO2-Uhr tickt… schneller als die meisten denken. Das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) hat auf Grundlage des Sonderberichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) errechnet, dass nicht 2050 unser Klimaziel sein sollte, sondern dass bereits in rund sieben Jahren unser CO2-Budget aufgebraucht ist, um das 1,5°C Ziel noch halten zu können. Versetzt Sie das in Unruhe? Das sollte es!
Als Antwort auf das Pariser Klimaabkommen hat die EU am 11.12.2019 den Green Deal mit dem Ziel vorgestellt, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Unter anderem sieht dieser Fahrplan vor, eine Dekarbonisierung des Energiesektors und eine Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden zu fördern.
Die technische Expertengruppe (TEG) für nachhaltige Finanzen hat in ihrem Bericht zur EU Taxonomie aufgezeigt, dass Gebäude in der EU rund 40% des Energieverbrauchs und rund 36% der CO2-Emissionen ausmachen.
Zur gleichen Zeit steigen die CO2-Emissionen zur Herstellung und Verarbeitung der Baumaterialien zur Errichtung von Gebäuden. Dies ist der falsche Weg!
Im technischen Anhang der EU Taxonomie wird dies konkreter ausgedrückt. Hier wird davon gesprochen, dass unter Berücksichtigung des Ziels bis 2050 gänzlich klimaneutrale Gebäude in Europa zu betreiben, Neubauten zwischen 2021 und 2050 klimaneutral geplant und gebaut werden müssten. Je früher dies umgesetzt würde, desto eher kann das 2050 Ziel überhaupt realistisch eingehalten werden. Einerseits müssen demnach effizienzsteigernde Umbauten für einen Großteil des Gebäudebestands stattfinden und andererseits muss das Umdenken in der Planung beschleunigt werden, angefangen bei den Investoren, die diese risikoärmeren Projektentwicklungen stärker in den Fokus nehmen sollten, um den Gesamtprozess intensiver anzustoßen.
Um diesen Prozess besser steuern zu können, wurde die EU Taxonomie erarbeitet. Hierin werden vier Grundprinzipien dargestellt, Einfluss auf die CO2-Reduzierung zu nehmen:
„Heutzutage entsprechen gerade mal 1% der Gebäude den Anforderungen eines Net Zero Carbon Gebäudes.“
Das World Resources Institute (WRI) zeigt auf, dass es maßgeblich auf die politischen Rahmenbedingungen ankommt, die einzelne Städte und Gemeinden zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens setzen. Klare Regelungen führen zu einem gemeinsamen Weg in Richtung Klimaneutralität und zu mehr Akzeptanz bei Investoren, Eigentümern und Nutzern.
Das daraus resultierende Bebauungskonzept für Stadtteile und Gemeinden führt zu einem besseren Kosten-Nutzen-Verhältnis, da nahegelegene Erneuerbare Energien besser geplant und genutzt werden können, um den Strom da zu erzeugen, wo er gebracht wird, ohne lange Transportwege zurücklegen zu müssen. Ebenso ist die Vernetzung der Gebäude zur besseren Lastverteilung ein wichtiger Beitrag, der gesetzlich geregelt werden muss, um es Investoren und Projektentwicklern einfach und attraktiv zu machen.
Zur Begriffsklärung der einzelnen Ebenen hat das WRI folgende Begriffe definiert:
Abbildung 1: Betrachtungsebenen auf Gebäudeebene laut WRI.
Da der Bau und Betrieb von Gebäuden bekanntermaßen rund 40% der weltweiten CO2-Emissionen ausmachen, wurden in den vergangenen Jahren unterschiedliche Initiativen gestartet, um die Klimaziele der Pariser Klimakonferenz von 2015 voranzubringen. Wir möchten Ihnen die wichtigsten vorstellen und unsere Meinung mit Ihnen teilen. Denn je früher die beste Strategie überlegt gewählt wurde, desto eher kann das Ziel der Klimaneutralität von Gebäuden erreicht werden.
Es herrscht allgemeiner Konsens darüber, dass ein erfolgreicher Klimaschutzfahrplan die folgenden Schritte berücksichtigen sollte:
Abbildung 2: Die Bestandteile eines erfolgreichen Klimaschutzfahrplans, eigene Grafik.
Im Folgenden stellen wir Ihnen die ausgewählten Initiativen zur Unterstützung für den Carbdown Ihres Portfolios vor und möchten dabei die Unterschiede deutlich machen:
Quelle: World Green Building Council.
Das World Green Building Council hat 2017 eine Initiative namens “Advancing Net Zero” ins Leben gerufen, die bei der Senkung der CO2-Emissionen von Gebäuden helfen soll. Einerseits soll erreicht werden, dass bis 2030 alle neuen Bauvorhaben CO2-neutral gebaut werden. Andererseits wurde das Ziel definiert, bis 2050 alle Gebäude im Bestand CO2-neutral zu betreiben.
Jeder Unterzeichner verpflichtet sich, seine Verbrauchswerte spätestens zwei Jahre nach Unterzeichnung zu veröffentlichen. Hierzu hat das WGBC eine Vorlage bereitgestellt, die dabei helfen soll, einheitliche Daten je Gebäude zu erheben. Darüber hinaus wird nach einem Dekarbonisierungsplan mit konkreten Zielen und Fortschritten für den Fonds gefragt, der sich unter anderem aus den gebäudebezogenen Daten ergeben kann. Ebenso ist die Offenlegung der vertraglich verpflichtenden Umsetzung der gesetzten Ziele und Maßnahmen Bestandteil dieser Erhebung und bietet somit die Möglichkeit, aus vagen Vorstellungen bindende Instrumente zu formen.
Die Leitmotive dieser Initiative stellen sich wie folgt dar:
Quelle: DGNB e.V.
Die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB) hat für Gebäude, die einen positiven Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen beitragen, die Auszeichnung “Klimapositiv” (DGNB) ins Leben gerufen. Hierdurch werden Gebäude gewürdigt, die eine ausgeglichene oder besser noch eine negative CO2-Bilanz im Betrieb zeigen können.
Es werden jährliche Verbrauchsdaten erhoben, aus denen sich die absoluten Treibhausgasemissionen errechnen lassen. Der Nutzerstrom wird hierbei mitbetrachtet und alle am Standort erzeugte regenerative Energie wirkt sich ausgleichend auf die Gesamtbilanzierung aus. Darüber hinaus erfordert die Anerkennung von standortfernen Energiequellen einen Nachweis über die Ausschließlichkeit und Zusätzlichkeit der Produktion. Ökostrom-Zertifikate zur Kompensation werden nicht in die Betrachtung mit einbezogen, da diese nicht den Anspruch erheben, z.B. den Netzausbau zu fördern. Die DGNB setzt dabei auf drei Kernansätze:
Nach erfolgreicher Auszeichnung ist diese für drei Jahre gültig und kann jährlich erneuert werden.
Quelle: U.S. Green Building Council.
Das US Green Building Council (USGBC) hat an sein bestehendes Zertifizierungssystem LEED® für Neu- und Bestandsbauten eine weitere Zertifizierungsvariante, namens LEED® Zero, eingeführt. Hierbei besteht für bereits LEED®-zertifizierte Gebäude die Möglichkeit, unter anderem eine ausgeglichene CO2-Bilanz bestätigt zu bekommen.
Die Zertifizierung ist wie die Bestandszertifizierungen 3 Jahre gültig und fordert monatliche Verbrauchsdaten über ein zusammenhängendes Jahr. Unterteilt wird die Datenerhebung in die Bereiche LEED® Zero Carbon Emissions, LEED® Zero Energy Use, LEED® Zero Water Use und LEED® Zero Waste, die alle einzeln zertifiziert werden können.
Quelle: International Living Future Institute.
Das International Living Future Intitute (ILFI) aus Seattle, Washington State, USA gibt an, dass das von ihnen entwickelte Zero Carbon Zertifizierungssystem das erste unabhängig zertifizierte System auf den Markt ist. Das selbsterklärte Ziel lautet wie folgt:
“One hundred percent of the operational energy use associated with the project must be offset by new on- or off-site renewable energy. One hundred percent of the embodied carbon emissions impacts associated with the construction and materials of the project must be disclosed and offset.”
Es wird über eine einjährige Betrachtungsphase (Performance Period) überprüft, ob die dargestellten Gebäude die gesteckten Energieeffizienzziele erreichen. Generell muss aller enthaltener Kohlenstoff aus Bautätigkeiten und verbauten Materialien veröffentlicht werden und entsprechende Programme zur Kompensation (Carbon Offsetting) müssen Anwendung finden. Neubauten wird grundsätzlich eine Nutzung von konventionellen Verbrennungstechniken zur Energiegewinnung untersagt. Darüber hinaus muss eine Minderung des in den verbauten Materialien enthaltenen Kohlenstoffs gegenüber eines Referenzgebäudes gezeigt werden, um eine Zertifizierung erreichen zu können.
Quelle: London Energy Transformation Initiative.
Die London Energy Transformation Initiative (LETI) zeigt gemeinsam mit dem UK GBC und der Better Buildings Partnership einen 10-Punkte-Plan auf, wie Klimaneutralität für Neubauten bis 2030 erreicht werden kann.
Als erster Schritt wird ein geringstmöglicher Energieverbrauch angestrebt. Jährliche Verbräuche und Zugewinne durch am Standort erzeugte Erneuerbare Energie müssen gemessen und durch unabhängige Dritte bestätigt werden. Dies muss die ersten 5 Jahre nach Inbetriebnahme konsequent durchgeführt werden, um eine solide Datengrundlage für weitere Schritte zu liefern.
Darüber hinaus muss das in den verbauten Materialien enthaltene und durch Bauprozesse entstandene CO2 erfasst und durch unabhängige Dritte nach Fertigstellung bestätigt werden. Der Anspruch muss darin bestehen, diesen gebundenen Kohlenstoff (Embodied Carbon) so gering wie möglich zu halten.
Betrachtet man die Versorgung des Bauvorhabens, so ist klar, dass keine fossilen Brennstoffe für die Wärme-, Kälte- oder Stromversorgung zum Einsatz kommen dürfen. Neben der Berichterstattung zu jährlich emittiertem CO2 ist ebenso darauf zu achten, dass Erneuerbare Energien am Standort einen wesentlichen Teil zur Abdeckung des Energiebedarfs beitragen. Auch eine intelligente Energiebedarfssteuerung und Vernetzung mit dem Versorger sollten Bestandteil der Dekarbonisierungsstrategie für Neubauten sein. Hierzu zählt auch, die jährliche Lastspitzenanalyse offenzulegen und mit dem Versorger zu diskutieren.
Abschließend wird die CO2-Bilanz errechnet. Als Ergebnis muss mindestens die Klimaneutralität stehen. Sollte eine ausgeglichene CO2-Bilanz durch die genannten Maßnahmen nicht möglich sein, so ist es statthaft, Erneuerbare Energie einzukaufen, die außerhalb des Standorts generiert wird. Geht es um Ökostrom, so wird ein 15-Jahresvertrag gefordert, aus dem hervorgeht, dass der Ausbau von Erneuerbaren Energien gefördert wird.
Schön und gut, aber gibt es dafür auch schon reale Lösungen?
Im Folgenden werden ein paar Beispielprojekte vorgestellt, die in puncto Net Zero Carbon und innovativen Effizienzlösungen ausgezeichnet wurden:
Foto 1: Rathaus Freiburg. Quelle: DGNB.
Foto 2: Entegrity Headquarters, USA. Quelle: USGBC.
Foto 3: Pancras Square, London, UK. Quelle: Google.
Als klimaneutrales Quartier mit Einrichtungen zum Arbeiten, Wohnen und Freizeit wird das Bauprojekt Brucklyn im Süden Erlangens mit rund 21.000 m² noch in 2020 fertiggestellt.
Die Besonderheit hier liegt darin, dass die benötigte Energie im Quartier selbst erzeugt, gespeichert und verteilt wird. Drei kompakte Blockheizkraftwerke erzeugen einerseits Strom und nutzen andererseits die dabei entstehende Wärme zum Heizen und zum Kühlen. Darüber hinaus können die Kraftwerke auch mit Wasserstoff betrieben werden.
Hervorzuheben ist, dass das Bauvorhaben Brucklyn das weltweit erste Quartier ist, bei dem ein chemischer Wasserstoffspeicher zum Einsatz kommen wird. Der Wasserstoffspeicher wird genutzt, um den erzeugten Strom mit einer hohen Energiedichte zu speichern. Zusätzlich werden Batterien verwendet, um Leistungsspitzen zu glätten. Dadurch funktioniert das Energiesystem besonders effizient. Unterstützt wird die Energiegewinnung durch fassadenintegrierte und auf Dächern installierten Photovoltaikanlagen. Nicht benötigter Strom kann in Batteriespeichersystemen oder Wasserstoffspeichern aufgefangen werden und zu sonnenarmen Zeiten wieder abgegeben werden. Darüber hinaus wurden Erdwärmesonden zur Beheizung und Warmwasserbereitung gesetzt. Über Wärmepumpen kann somit sehr effizient und klimaneutral Energie gewonnen werden.
Abbildung 3: Quartierslösung für klimaneutrale Stadtteile. Quelle: Union Investment Real Estate.
In erster Linie muss jeder Investor, jeder Fonds- und Assetmanager die Dringlichkeit erkannt und verstanden haben, welches Risiko aus Zurückhaltung erwächst. Das von der Europäischen Union geförderte Projekt „Carbon Risk Real Estate Monitor“ (CRREM) hat dieses Risiko und die möglichen Vorgehensweisen der Entscheider (Stakeholder) recht anschaulich in seiner „Stranded Asset“ Analyse dargestellt.
Um unsere Kunden in ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen, bietet EnviroSustain für jeden Fonds, für jedes Asset eine individuelle Dekarbonisierungsstudie an. Hierin sollen die einzelnen Schritte und Maßnahmen zur Energieeffizienzsteigerung, Nutzung von standorteigenen und standortnahen Erneuerbaren Energien und notfalls CO2-Kompensationsmaßnahmen erörtert werden. Der sich daraus ergebende Klimaschutzfahrplan kann als Entscheidungsgrundlage zur Prioritätensetzung und konkreten Budgetplanung genutzt werden.
Bestandsbauten sollten umgehend einer solchen Untersuchung unterzogen werden, um den Stein ins Rollen zu bringen. Um dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu geben oder die Immobilie oder den Fonds aufzuwerten, kann dieser Prozess durch eines der genannten Zertifizierungssysteme oder eine der genannten Klimaschutzinitiativen begleitet werden.
Für neue Projektentwicklungen müssen ab sofort die Ziele zur klimaneutralen Errichtung und Betriebsweise berücksichtigt werden. Im Ankauf von Projektentwicklungen bietet sich daher eine ESG Due Diligence an, um die Risiken und Potenziale im Hinblick auf die ESG Strategie des Fonds vor dem Erwerb abschätzen zu können.
Alles in allem eine machbare Aufgabe, aber es kommt maßgeblich auf diejenigen an, die jetzt die richtigen Entscheidungen treffen müssen.
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