Der Klimawandel schreitet unaufhörlich voran. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen und die globale Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, sind weltweite und umfassende Anstrengungen erforderlich, auch im Gebäudesektor. Weltweit trägt der Bau und Betrieb von Gebäuden mit 36% zum Energieverbrauch und mit 39% zu den energiebezogenen CO2-Emissionen bei.
In der EU sind Gebäude für 40% des Energieverbrauchs und 36% der CO2-Emissionen verantwortlich. Ursache dafür ist ein hoher Bestand an ineffizienten Gebäuden (75%), sowie eine niedrige Renovierungs- (0.4 – 1.2%) und Neubaurate (1-2%). Mit dem EU Green Deal hat sich die EU verpflichtet bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Dazu gehört unter anderem die Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden.
In Deutschland entfallen 35% des Endenergieverbrauchs und 30% der CO2-Emissionen auf den Gebäudesektor. Der größte Teil des Gebäudebestandes wurde noch vor der 1. Wärmeschutzverordnung 1977 – der ersten Regulierung des Gebäudewärmebedarfs – gebaut.
Über zwei Drittel der Heizungssysteme entsprechen nicht dem aktuellen Stand der Technik.
Der Klimaschutzfahrplan der Bundesregierung gibt das Ziel vor, bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu erhalten. Als Zwischenziel wurde eine
Minderung der CO2-Emissionen von 66-67% gegenüber 1990 bis 2030 festgelegt. Um die Klimaziele zu erreichen, stellen sogenannte Nullenergiegebäude einen wichtigen Baustein dar. Nullenergiegebäude kommen hauptsächlich im Wohnsektor zum Einsatz, wobei bei Nicht-Wohngebäuden noch Aufholbedarf besteht.
Vereinfacht gesagt, erzeugt ein Nullenergiegebäude genauso viel Energie wie es verbraucht, bilanziert über ein Jahr (theoretisch). Zwischen elektrischer und thermischer Energie wird nicht unterschieden. Strom und Wärme wird zum Beispiel durch Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen und Wärmepumpen erzeugt, die direkt am Gebäude angebracht sind. Es ist jedoch zusätzlich ein Anschluss an das öffentliche Stromnetz erforderlich für Zeiten, in denen die eigene Stromproduktion nicht ausreicht, z.B. im Winter. In der Bilanz wird jedoch die sogenannte graue Energie nicht berücksichtigt. Unter grauer Energie versteht man den Primärenergiebedarf, welcher für die Herstellung, Transport, Verkauf und Entsorgung der Baustoffe zur Errichtung des Gebäudes benötigt wird.
Es gibt bisher keine einheitliche bzw. standardisierte Definition des Begriffes Nullenergiehaus. Auch das am 01.11.2020 in Kraft getretene Gebäudeenergiegesetz (GEG) beschreibt lediglich Anforderungen an Niedrigstenergiegebäude.
Entscheidend für eine energieeffiziente Bauweise ist, Wärmeverluste zu minimieren und „passive Energie“ zu nutzen. Dafür sind bauliche und energetische Maßnahmen notwendig:
Bauliche Maßnahmen:
Energetische Maßnahmen:
Ein wichtiger Aspekt bei der Betrachtung von Nullenergiegebäuden ist die Bilanzierung der Energieerzeugung und des Energieverbrauchs.
Dazu sind folgende drei Aspekte festzulegen:
1. Indikatoren: Wie wird die Bilanz bewertet bzw. vergleichbar gemacht?
Geeignete
Indikatoren können z.B. die Primärenergie, CO2-Äquivalente oder auch Energiekosten sein. Der
gängigste Indikator der Energiebilanzierung ist die Darstellung der Energieeffizienz mit der
Primärenergie. Dadurch wird die benötigte Energie für Gewinnung, Umwandlung, Transport des eingesetzten Energieträgers in der Bilanz mitberücksichtigt. Die Umrechnung bzw. Bewertung der verbrauchten Endenergie (eingesetzte Energieträger) in Primärenergie erfolgt über
Primärenergiefaktoren.
2. Bilanzgrenze: Was wird in die Bilanz einbezogen?
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Bilanzierung ist die Frage der Bilanzgrenze, also welche Verbraucher miteinbezogen werden. Hauptsächlich fallen darunter der gebäudetechnische Energiebedarf für Heizung, Wassererwärmung, Hilfsenergie für Pumpen und Ventilatoren, Lüftung, Kühlung und bei Nichtwohngebäuden Beleuchtung. Die Einbeziehung von nutzungsspezifischen Verbrauchern wie z. B. Haushaltsgeräte, EDV oder zentrale Einrichtungen, wie Rolltreppen oder Kühlräume, aber auch Brand- und Rauschschutzanlagen oder Aufzüge, sollten für ein realistisches Bild des Primärenergiebedarfs ebenfalls miteinbezogen werden, da ansonsten keine vollständige Energiebilanz entsteht.
Der Strombedarf hat oft einen erheblichen Anteil am Primärenergiebedarf bei energieeffizienten Gebäuden. Auch Energieerzeugungsanlagen, wie z.B. Photovoltaikanlagen, müssen in die Bilanzgrenzen miteinbezogen werden, solange diese sich auf dem Gebäudegrundstück befinden und zum Eigenbedarf genutzt werden. Anlagen außerhalb des Grundstücks, und welche Teil des Netzes sind, sollten nicht berücksichtigt werden.
3. Bilanzierungszeitraum: Welcher Zeitraum wird betrachtet?
Üblicherweise wird
als Bilanzierungszeitraum ein Jahr gewählt, da in den wärmeren Monaten mehr Energie erzeugt als verbraucht wird und umgekehrt in den Wintermonaten mehr Energie benötigt wird als erzeugt werden kann. Eine ausgeglichene Bilanz ist auf monatlicher Basis nicht möglich. Es wird normalerweise auch nur die Betriebsenergie berücksichtigt, und nicht die sogenannte „Graue Energie“. Sollte diese auch berücksichtigt werden, ist eine Lebenszyklusanalyse notwendig. Dabei muss das Gebäude den Standard des
Plusenergiegebäudes erreichen, also einen Energieüberschuss erzielen, bei der Bilanz über ein Jahr, um die Graue Energie amortisieren zu können. Der Aspekt der grauen Energie wird in Zukunft immer wichtiger im Hinblick auf die Dekarbonisierung des Gebäudesektors.
Abbildung 1: Gebäudebilanzierung von Energieinput und -output auf der Basis des Indikators Primärenergie, der Bilanzgrenze der Haustechnik, Geräte, zentr. Dienste und eines Jahres. Quelle: BINE Informationsdienst.
Vorteile:
Nachteile:
R128, Stuttgart, Germany. © https://www.wernersobek.de
Experimentalhaus R128, Stuttgart, Deutschland
Schon im Jahr 2000 wurde das Wohnhaus R128 nach dem Entwurf von Professor Werner Sobeck in Hanglage in Stuttgart als Nullenergiehaus errichtet. Das Gebäude wurde mit einem durchdachten Energiekonzept konzipiert, welches einen emissionsfreien Betrieb ermöglicht. Die folgenden Eigenschaften zeichnen das Gebäude als Nullenergiehaus aus:
Patch 22, Amsterdam, Netherlands. © https://patch22.nl/
Wohnhochaus Patch 22, Amsterdam, Niederlande
Das Wohnhochhaus Patch 22 in Amsterdam wurde von Frantzen et al Architekten als Nullenergiegebäude mit einer tragenden Holzkonstruktion geplant und erbaut. Es wurde großen Wert auf eine ganzheitliche Nachhaltigkeit des Gebäudes gelegt. Das Projekt hat mehrere Preise erhalten, wie z.B. den WAN 2016 Residential Award. Die folgenden Eigenschaften zeichnen das Gebäude aus:
Marché International Support Office, Kemptthal, Switzerland. © www.world-architects.com
Bürogebäude Marché International Support Office, Kemptthal, Schweiz
Der Hauptsitz des Unternehmens Marché International in Kemptthal ist das erste Nullenergie-Bürogebäude der Schweiz und 2007 als reiner Holzbau erbaut worden. Das Gebäude hat das Zertifikat Minergie-P-Eco erhalten. Durch eine Kombination aus architektonischen und energetischen Maßnahmen konnte eine Energiekennzahl von 7.8 kWh/m2a erreicht werden:
Nullenergiegebäude zeichnen sich durch immense Energieeinsparungen und geringe CO2-Emissionen aus, was unerlässlich ist für den Klimaschutz. Aus diesem Grund sind sie ein wichtiger Baustein auf dem Weg, die gesetzten Klimaziele 2050 zu erreichen. Jedoch sollte im Hinblick auf die notwendige Dekarbonisierung des Gebäudesektors die Graue Energie auch bei Nullenergiegebäuden betrachtet werden und in die Bilanz miteinfließen.
Head Office, Berlin,
Neue Grünstraße 17 | 18 Hof 1 | TRH 3
10179 Berlin
© ES EnviroSustain GmbH 2021