Innovative Lösungen für nachhaltiges Bauen

Birgit Memminger-Rieve • Jan 06, 2022

Klimafreundlich und materialeffizient


Bislang hat die Baubranche ausschließlich die Reduzierung der Emissionen in der Nutzungsphase der Gebäude betrachtet. Doch die bei den Roh- und Baustoffen eingetretene Ressourcenknappheit, Bau- und Abbruchabfälle und Emissionen aus ihrer Herstellung sorgen für neuen Druck, auf alternative Materialien und Bauweisen auszuweichen


In diesem Artikel zeigen wir anhand dreier Themen, wie die Klimakrise, eine Ressourcenkrise und das große Abfallaufkommen den Weg für neue Lösungen in der Baubranche ebnen.


Ökobilanz betrachtet gesamten Lebenszyklus


Steigende Energieeffizienz von Gebäuden reduziert den Energieverbrauch in der Nutzungsphase, ein wichtiger Schritt zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Gebäudesektor. Damit gewinnen der Energieaufwand zur Gewinnung der Rohstoffe, Herstellung der Bauprodukte und ihr Transport an den Bestimmungsort an Bedeutung. Diesen Aufwand bezeichnet man als graue Energie und die Emissionen entsprechend als .

 

Je nach Konstruktion und Effizienzstandard der neu errichteten Gebäude kann der Anteil der grauen Emissionen 25 bis 40 Prozent an den gesamten CO2-Emissionen der Nutzungsphase betragen. Konstruktion und Bauart sowie die verwendeten Baustoffe beeinflussen in zunehmendem Maße die Wirkung der Gebäude auf unser Klima. Mit klima- und ressourcenschonenden Neubauten könnten in Deutschland jährlich sieben Millionen Tonnen CO2-Äquivalent eingespart werden.

 

Für die Bewertung der Klimafreundlichkeit ist es wichtig, die Emissionen des gesamten Lebenszyklus’ der Gebäude zu betrachten. Um den Anteil der grauen Energie zu ermitteln, stellen Planer eine softwaregestützte Ökobilanz auf. Diese erfasst alle Materialien, die für den Bau des Gebäudes vorgesehen sind, mit ihren Eigenschaften und ihrer Lebensdauer. Das Ergebnis ist die Aussage über den ökologischen Fußabdruck des Gebäudes.

 

Eine positive Ökobilanz zu erzielen ist durchaus machbar. Dafür muss das Gebäude eine negative CO2-Jahresbilanz aufweisen. Dies ist durch eigene Energieerzeugung (zum Beispiel mit einer Photovoltaikanlage) und die Abgabe der überschüssigen und emissionsfrei erzeugten Energie in das Netz möglich. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zeigt einige Praxisbeispiele, die sie als klimapositive Gebäude ausgezeichnet hat. Ihre Gemeinsamkeit ist ein geringer Energieverbrauch und eine eigene Energieerzeugung, zum Beispiel mit einer Photovoltaikanlage und innovativen Lösungen für die Wärmeversorgung. Dazu gehören z. B. Abwärmenutzung aus dem Abwasser und Geothermie als Wärmequellen für Wärmepumpen.


Beispiele mit positiver Klimabilanz:

 

Gebäude mit Holzkonstruktionen, zum Beispiel in Holzständerbauweise oder Holz-Hybridkonstruktionen, erzielen eine besonders gute Ökobilanz. Auch der Einsatz von Recyclingbaustoffen und die Wiederverwendung von Baustoffen oder Bauteilen sorgen für eine bessere Ökobilanz. Für die Herstellung ist ein verhältnismäßig geringer Energieaufwand nötig, in der Nutzung entstehen geringe Emissionen und eine spätere Verwertung oder weitere Verwendung ist ohne großen Aufwand möglich.

 

Als Beispiel für eine solche Bauweise entsteht in Berlin-Neukölln derzeit das Circular Economy House. Es handelt sich um den Umbau eines ehemaligen Lagehauses der Kindl-Brauerei mit Aufstockung in Holztafelbauweise und der Wiederverwendung von Ressourcen.


Aus Sand gebaut


Die Baubranche verarbeitet Jahr für Jahr riesige Baustoffmengen. Allein in Deutschland werden jährlich 517 Millionen Tonnen mineralischer Rohstoffe verbaut. Hinzu kommen 26,6 Millionen Tonnen Zement und 5,5 Millionen Tonnen Baustahl. Die Rohstoffe, aus denen diese Baustoffe hergestellt werden, sind weitestgehend ausgebeutet, ihre Lagerstätten sind begrenzt oder sie wachsen nicht im gleichen Maß nach wie sie benötigt werden (Quelle: dena Gebäudereport 2021).

 

Sand ist nach Wasser der zweitwichtigste Rohstoff der modernen Gesellschaft, denn ohne Sand kein Beton. Er wird aber auch für mineralische Putzarten, Estrich und Fensterglas gebraucht. Auch andere Branchen, zum Beispiel für Hersteller von Computerchips und Solarzellen, haben einen sehr großen Bedarf. Jährlich werden weltweit 15 Milliarden Tonnen Sand abgebaut - eine unvorstellbare Menge. Die große Nachfrage fördert weltweit den Raubbau. So werden Lebensräume von Mensch und Tier zerstört, Flüsse verschmutzt und Strände verschwinden.

 

Der in Deutschland verarbeitete Sand stammt überwiegend aus eigenem Abbau in Sand- und Kiesgruben. Inzwischen müssen die Verarbeiter auch auf Importe aus anderen Ländern zurückgreifen. Es gibt zwar noch genügend Sand, aber es wird immer schwieriger, neue Abbauflächen zu erschließen. Gründe sind u. a. die Versiegelung geeigneter Flächen oder Nutzungskonflikte. Der Abbau von Sand trägt zur Zerstörung der Biodiversität bei, mit gravierenden Folgen für unser Leben.


Innovative Baulösungen ohne Sand

Gebäude mit geringem Sandanteil zu bauen, ist möglich. Ein Teil des Sandes kann durch die Verwendung von Recycling-Beton mit rezykliertem Bauschutt als Zuschlagstoff ersetzt werden.

 

Wer auf Sand verzichten möchte, baut mit Holz und spart so den Einsatz von Beton. Holz oder holzbasierte Baustoffe und Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen lassen sich in vielen Bauteilen einsetzen.

 

Forscher von vier Fraunhofer-Instituten haben im Projekt BauCycle ein Verfahren zur Gewinnung einer Alternative zu Sand aus Bauschutt entwickelt. Daraus lassen sich zum Beispiel neue Porenbeton Steine herstellen.

 

Eine innovative Lösung bietet das kanadische Startup CarbiCrete. Sie verwenden die bei der Stahlproduktion anfallende Schlacke als Mahlgut und ersetzen damit den Zement als Bindemittel bei der Betonherstellung.

 

Das amerikanische Startup Biomason beschreitet einen alternativen Weg. Sie züchten ihren Biozement mit Hilfe natürlicher Mikroorganismen.



Urban Mining - Verringerung der Abfallmenge und Schutz der Ressourcen


Die Baubranche gehört in Deutschland zu den größten Abfallproduzenten. Jedes Jahr fallen 209 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle an – 52 Prozent des gesamten deutschen Abfallaufkommens.

 

Wiederverwertete oder recycelte mineralische Baustoffe werden zurzeit überwiegend im Straßen- und Wegebau oder beim Bau von Lärm- und Sichtschutzwällen verwendet.

 

Das Potential zur Wiederverwendung verbauter Rohstoffe liegt heute bei sieben Prozent. Bei positiven Rahmenbedingungen sieht das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR die Chance, das Potential auf 20 Prozent anzuheben (Quelle: dena Gebäudereport 2021).

 

Zahlreiche Initiativen beschäftigen sich inzwischen mit der Wiederverwendung von Bauteilen und Bauprodukten. Bevor ein Gebäude abgerissen oder saniert wird, untersuchen sie die Bauteile (z. B. Fenster, Türen oder Treppensegmente) auf die Möglichkeit zur Verwendung in einem anderen Gebäude. Dies verringert das Abfallaufkommen und verbessert die Ökobilanz am neuen Einsatzort, da keine Energie für die Herstellung aufgebracht werden muss.

 

Das Stuttgarter Startup Concular erfasst und bewertet Materialien in neuen Gebäuden und in Bestandsobjekten nach Rückbaufähigkeit, Wert und Vermittlungswahrscheinlichkeit. Die Ergebnisse speichern sie in einem Materialpass und einer Datenbank für einen späteren Rückbau. Für die Eigentümer verringern sich dadurch die Rück- oder Umbaukosten. Planer und Bauherren können in der Datenbank nach geeigneten Bauprodukten suchen.



Zirkuläres Bauen - Rückbau einplanen


Neue Gebäude werden so geplant und gebaut, dass sie später komplett oder teilweise abgebaut und ihre Bauteile in neuen Gebäude wiederverwendet werden können. Diesen Ansatz bezeichnet man als zirkuläres Bauen.

 

So werden Stoffkreisläufe geschlossen, die Bauschutt und Abfallmengen verringert, Ressourcen geschont und Emissionen reduziert. Ein Gewinn für Mensch und Natur.

 

Ein Beispiel für kreislauforientiertes Bauen ist das Recycling Haus der Architekten Cityförster in Hannover. Zum Einsatz kamen zahlreiche recyclingfähige Bauprodukte genauso wie bereits recycelte Materialien und gebrauchte Bauteile. Letztere stammen teilweise aus Beständen der Bauherrin oder aus lokalen Objekten. Die recyclinggerechte Bauweise ermöglicht einen späteren Abbau von Bauteilen ohne Einbußen an Qualität sowie eine sortenreine Trennung von Baustoffen nach dem Ende ihrer Lebensdauer.

 

Weitere Beispiele für zirkuläres Bauen:



Fazit


Nachhaltiges Bauen bedeutet mehr als nur die Reduzierung der Treibhausgasemissionen in der Nutzungsphase. Bereits in der Konzeption und Planung muss die Nachhaltigkeit mit der Berücksichtigung emissionsarmer und ressourcenschonender Produkte mitgedacht werden. Mit dem Einsatz von Holzkonstruktionen oder nachwachsenden Rohstoffen lässt sich die Ökobilanz genauso verbessern wie mit dem Einsatz von recycelten Baustoffen oder der Wiederverwendung von ganzen Bauteilen.


Lesen Sie in Teil 2: Nachhaltig bauen – worauf muss ich achten, welche Materialien und Zertifizierungen gibt es und was sagen sie aus.



by Sam Wheeler 19 Apr, 2024
Cover Image credits: Sophie Monsarrat | Rewilding Europe
by Anna Höfer 25 Mar, 2024
While many companies are already taking comprehensive measures to minimise the effects of climate change as far as possible, it is also true that climate change is inevitable in the near and distant future. This has already become noticeable in large parts of Germany with an increase in extreme weather events such as the flood disaster in the Ahr valley in 2021, numerous hot summers in recent years, or the constant rain and flooding at the beginning of this year. Companies should therefore address the risks that could arise from climate change and the associated increase in extreme weather events, for example at their different sites, as early as possible.
by Samantha Wheeler 26 Feb, 2024
Registration is now open for the GBCI Circle event for 2024. You can register here. EnviroSustain is proud to once again be a sponsor of this event which will be held in Athens, Greece. The event will run from the 17-19 April and the three days will be packed with a welcome reception, sustainable building tours, experiences, and learning sessions. After such a great experience last year in Barcelona , we can’t wait to travel with the team again. As we avoid air travel as part of our ESG Policy, the ES team will be travelling to Athens by land and sea over the course of two days! This involves the night train from Munich to Roma (or alternatively to Bologna), train to Bari, then the ferry overnight from Bari to Patras and to finish the bus to Athens. We look forward to sharing our journey with you on social media. GBCI Circle is designed to provide networking opportunities and education sessions for Europe's LEED consultants, property owners and managers, building experts and consultants and all of those interested in sustainability within real estate. The 2024 program focuses on the future of Healthy Human Habitat Venues include The Piraeus Tower (pursuing LEED Platinum and WELL certification), The Lighthouse (LEED Platinum), The Ellinikon (pursuing LEED, WELL and SITES), The National Gallery of Art (2 x LEED Silver certifications).
by Samantha Wheeler 15 Feb, 2024
With the start of a new year comes the beginning of a new GRESB reporting period. EnviroSustain has been supporting clients with GRESB submissions for almost a decade now and we are pleased to see participation growing. The GRESB portal will open on 1st April but now is the time to begin prepping your team and collecting data. As ESG reporting gains more momentum in the mainstream, changes are needed to keep up with current developments. The Real Estate and Infrastructure Standards Committee works to gather feedback and make recommendations on changes to the GRESB Foundation Board.
by Anna Höfer 28 Jan, 2024
The annual Global Risk Report published by the World Economic Forum (WEF) presents a comprehensive analysis of current global challenges. In its report published in January of this year, the WEF warns of a "foreseen duo of dangerous crises", referring to the duality of climate and conflict-related challenges. Respondents from academia, business, government, the international community and civil society see climate change-related risks in particular as a key global challenge in the long term. According to the survey, the four most highly rated risks over the next 10 years are: extreme weather events, critical changes to earth systems, loss of biodiversity and the collapse of ecosystems. In addition, current crises and conflicts such as inflation, the war in Ukraine and the conflict between Israel and Palestine make many respondents pessimistic about the coming years. If implemented consistently, ESG guidelines can help to reduce the negative impact of companies on the environment and thus mitigate climate change-related risks by creating a sustainable business environment. In 2024, numerous new EU regulations will come into force to make ESG reporting more transparent and standardised. The aim is to oblige companies to be more transparent and accountable with regard to their environmental impact.
by Samantha Wheeler 22 Jan, 2024
We are all increasingly aware of the pressing need for environmental sustainability and as biodiversity disclosures gain momentum , the Task Force on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) serves as a blueprint for integrating nature-related disclosures into decision making and existing mandatory reporting requirements. TNFD, like the Task Force for Climate-related Financial Disclosure (TCFD), operates as a voluntary disclosure framework. However, we hope that some governments and regulatory bodies will begin to incorporate TNFD recommendations into mandatory reporting frameworks. For organisations, voluntary adoption of TNFD is a proactive step towards staying ahead of potential regulatory changes and investor demands. By embracing TNFD early, companies can gain a competitive advantage and demonstrate their commitment to environmental responsibility.
by Samantha Wheeler 17 Jan, 2024
With all the good biodiversity gives us and our environment, you would hope that it is sufficiently protected and supported by legislation. Not only in Europe, but also worldwide. As part of the European Green deal approved in 2020, the Nature Restoration Law is the first of its kind to cover the entire continent in Europe. Sadly, 80% of Europe’s natural habitats are in poor condition, but the proposed Nature Restoration Law will help to turn the tide when it comes to the protection and rejuvenation of European biodiversity by two 2030 and 2050 milestones.
by Samantha Wheeler 15 Jan, 2024
‘Biodiversity’ is known as ‘the variability among living organisms from all sources including, terrestrial, marine and other aquatic ecosystems and the ecological complexes of which they are part; including diversity within species, between species, and of ecosystems’. According to this report by the World Economic Forum, Biodiversity equals around $44 trillion in economic value (more than 50% of global GDP), making biodiversity one of Earth’s most valuable assets. Despite the massive amount of value biodiversity provides us, our global loss of biodiversity over the past 50 years has been significant, and 80% of that global biodiversity loss is caused by the built environment, agriculture, and energy/extractives. Sadly, a byproduct of advancing our own environments is that we’re destroying the Earth’s natural ones at the same time. This is because of many factors, and IPBES notes five main drivers: Habitat loss Over-exploitation of natural resources Spread of invasive species Climate change Pollution
by Samantha Wheeler 05 Sept, 2023
Amongst all the policies and jargon out there, it’s easy to forget why it all matters and what the overarching goal is, so let’s take a moment to think about it. The pressure on Earth’s resources is becoming unbearable. Every year, Earth Overshoot Day (the annual date that marks the point when humanity uses more biological resources than the Earth can regenerate within a given year) creeps earlier and earlier. Extreme heat events are becoming more common with forest fires on the rise; species are dying due to habitat loss and food scarcity; our seas are rising and warming leading to devastating floods and enforced migration. All of this and we’re still projected to exceed 1.5 degrees of global warming, despite the 2015 Paris Agreement and subsequent UN promises. In short, we need action, and we need it yesterday.
by Dr. Birgit Memminger-Rieve 25 Jul, 2023
In February 2023, EnviroSustain announced a long-term partnership with Rewilding Europe. This collaboration will see a portion of the EnviroSustain turnover supporting rewilding initiatives for the next ten years, as well as pro bono advice on rewilding-related buildings in the network- such as new offices and rewilding centres. In June, Dr. Birgit Memminger-Rieve, MD at EnviroSustain, and Ingemar Hunold, Partner at EnviroSustain, met with the Rewilding Oder Delta team to provide support and advice for their newly established centre.
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