Nachhaltig Bauen mit Recyclingbeton
Bislang war im Immobiliensektor nur der Energieverbrauch ein Thema, wenn er überhaupt interessiert hat. Mittlerweile wächst langsam die Erkenntnis, dass Immobilien nicht nur im Betrieb eine Menge Energie und Ressourcen verbrauchen, sondern auch in ihrer Bauphase. Daher ist es notwendig, Bauprodukte in ihrer Nachhaltigkeit und ihrem Einsatz in der Praxis zu betrachten.
Der Bau von Gebäuden aller Art benötigt eine große Menge an Ressourcen. Viele sind nicht erneuerbar, das heißt, ihr Abbau erfolgt schneller als ihre natürliche Erneuerung. Holz aus nachhaltiger Bewirtschaftung wäre ein solcher erneuerbarer Rohstoff. Nicht erneuerbar sind hingegen Beton und seine Bestandteile.
Ihr Einsatz ist nicht unbegrenzt möglich, der Aufwand für den Abbau wächst und wird irgendwann unwirtschaftlich. Allein für die Herstellung von Beton werden in Deutschland täglich vier Hektar Land abgetragen, um Kies für die Herstellung von Beton zu gewinnen. Das ist pro Jahr die Fläche einer Kleinstadt mit mehr als 10.000 Einwohnern.
Jedes Jahr werden in Deutschland 517 Millionen Tonnen mineralischer Rohstoffe verbaut, der Einsatz an Baustahl summiert sich auf 5,5 Millionen Tonnen und bei Zement auf 26,6 Millionen Tonnen.
Mit dem zunehmenden Ressourcenabbau steigen auch die Treibhausgasemissionen. Die deutsche Energie-Agentur dena berichtet in ihrem Gebäudereport 2021, dass durch die Entnahme von Ressourcen zwischen 1995 und 2015 der Anteil der globalen Emissionen von 15 Prozent (5 Gt CO2e) auf 23 Prozent (11 Gt CO2e) gestiegen ist.
Neben dem hohen Ressourcenbedarf für den Bau neuer Gebäude werden viele alte Gebäude abgerissen und verursachen eine große Menge an Bauschutt und -abfällen. So entstehen in Berlin jährlich rund eine Millionen Tonnen Abrissbeton. 2018 waren es in Deutschland laut Umweltbundesamt 59,8 Millionen Tonnen Bauschutt, von denen 46,6 Millionen Tonnen recycelt wurden. Klingt gut, doch die überwiegende Menge wird im Straßenbau (51%) und Erdbau (22%) eingesetzt. Bislang wird nur wenig Material aus dem Abbruch alter Gebäude als Betonzuschlag verwendet.
Recyclingbeton mit Split aus dem Abriss alter Gebäude
Dabei lässt sich das Granulat aus Abrissbeton gut für die Herstellung von neuem Beton verwenden. Dafür wird der Betonabbruch aus dem Rückbau zerkleinert, von Fremdmaterial gereinigt und entsprechend der Korngröße sortiert. Dann wird er als Split dem neuen Beton zugemischt.
Recycling-Beton entspricht der Norm, wenn der Split im Recyclinganteil größer als zwei Millimeter im Durchmesser ist. In diesem Fall ist die Gesteinskörnung unempfindlich gegen Alkalisalze. Damit darf er gleichwertig zu konventionellem Beton verwendet werden. Der Anteil von recycelter Gesteinskörnung darf, je nach Typ, maximal 35 bzw. 45 Prozent betragen. Dann unterscheiden sich die Eigenschaften nicht von konventionellem Beton, der nur primäre Gesteinskörnungen als Zuschlag verwendet.
Für den Einsatz von Recyclingbeton sind keine Änderungen in der Tragwerksplanung notwendig, auch der Bauablauf muss nicht verändert werden.
Der Einsatz von Recyclingbeton reduziert den Abbau von Kies und spart damit große Mengen an natürlichen Ressourcen. Ein weiterer Vorteil ist die Reduzierung des Schwerlastverkehrs auf der Straße durch kürzere Transportwege. Bei großen Baustellen lässt sich im besten Fall der Abbruch direkt vor Ort für die Herstellung von neuem Beton nutzen.
Recyclingbeton muss nicht teurer sein als konventioneller Beton, er ist häufig zu gleichen Kosten verfügbar – trotz eines erhöhten Aufwandes für das Zerkleinern und Sortieren des Abbruchs.
Problem Zement
Beton besteht nicht nur aus Kies. Für die Verarbeitung werden auch Wasser und ein Bindemittel benötigt. Als Bindemittel wird Zement eingesetzt und da liegt ein eigentlich viel größeres Problem für das Klima. Zement besteht aus Kalkstein, Ton und Sand und wird in der Herstellung unter sehr hohen Temperaturen zu Zementklinker gebrannt. Dieses Verfahren ist sehr aufwändig und energieintensiv, damit auch mit hohen CO2-Emissionen verbunden.
Die Zementindustrie verursacht weltweit sechs bis sieben Prozent der CO2-Emissionen. In Deutschland betrugen 2019 die CO2-Emissionen aus der Herstellung von Zement 20 Millionen Tonnen – drei Prozent der gesamten deutschen CO2-Emissionen (dena Gebäudereport 2021).
Dieses Problem löst der Einsatz von Recyclingbeton nicht, das geht nur durch andere Brennstoffe, Rohstoffe oder Verfahren.
Recyclingbeton in der Praxis
Es gibt noch nicht viele große Bauprojekte mit Recyclingbeton in Deutschland. Die entsprechenden Normen lassen den vergleichbaren Einsatz erst seit wenigen Jahren zu, vorher war eine Zulassung im Einzelfall notwendig. Dennoch kommt er heute kaum in den Ausschreibungen vor, auch wenn viele Lieferanten von Frischbeton in Deutschland Beton mit aufbereiteten Gesteinen liefern können.
Eines der größten Gebäude, das mit Recyclingbeton errichtet wurde, ist der Forschungs- und Laborkomplex der Humboldt-Universität Berlin, das Rhoda-Erdmann-Haus. Dort wurden 5.400 Kubikmeter verarbeitet und wissenschaftlich untersucht. Die Untersuchung ergab:
- Die Gesteinskörnung des Rezyklats ist vergleichbar mit der natürlichen Körnung.
- Die Produzenten von Transportbeton können problemlos Recyclingbeton in den geforderten Anforderungen liefern.
- Die Verarbeitung unterscheidet sich nicht vom Normalbeton.
Hinzu kommen Erkenntnisse für Natur und Klima:
- Einsparung von 880 qm Kiesabbaufläche
- Einsparung von 66 Prozent des Energieverbrauchs
- Reduzierung der CO2-Emissionen um 4,4 Tonnen
Aufgrund der guten Erfahrungen hat der Berliner Senat 2019 beschlossen, bei öffentlichen Hochbauvorhaben grundsätzlich Recyclingbeton einzusetzen. Was in Deutschland noch sehr innovativ klingt und eher die Ausnahme ist, ist in der Stadt Zürich bereits seit 2002 der Normalfall. Dort wird der Anteil von Recyclingbeton bei Bauvorhaben auf 10 bis 15 Prozent geschätzt. In der gesamten Schweiz liegt der Anteil von Recyclingbeton bei sieben Prozent.
Angebote an Baustoffen mit Recyclingbeton
Viele lokale Anbieter von Transportbeton bieten heute Recyclingbeton für den Einsatz im Hochbau an.
- Die Heinrich Feess GmbH & Co. KG aus Kirchheim/Teck bei Stuttgart ist einer der engagiertesten Vertreter für den Einsatz von Recyclingbeton. Geschäftsführer Walter Feeß hält zahlreiche Vorträge und bewirbt die Kreislaufwirtschaft, das Recycling mineralischer Baustoffe und Urban Mining.
- Die Rinn Beton- und Naturstein GmbH & Co. KG aus Heuchelheim bei Gießen hat einen Stein entwickelt, der mit dem Umweltzeichen Blauer Engel ausgezeichnet wurde. Er enthält einen Anteil von 40 Prozent Recycling-Granulat.
- Die Brüninghoff GmbH & Co. KG aus Heiden möchte in einem neuen Fertigbetonteilwerk ab 2023 Fertigbeton mit einem Anteil von 45 Prozent Recyclingbeton herstellen. Zusätzlich planen sie, durch die Auswahl des Zements den Herstellungsprozess emissionsarm auszurichten. Ergänzt wird das Konzept durch Elektrofahrzeuge für den Transport, Ladesäulen auf dem Betriebsgelände und eine nachhaltige Wassernutzung.
Der Einsatz von Recyclingbeton ist in Deutschland noch selten. Für den Schutz von Ressourcen und Klima muss sich hier noch vieles verändern. Die Möglichkeiten sind heute vorhanden.