Die weltweite Ausbreitung des Coronavirus hat nicht nur schwerwiegende gesundheitliche, sondern auch wirtschaftliche Auswirkungen zur Folge. Innerhalb kürzester Zeit sahen sich Unternehmen und Mitarbeiter gezwungen, auf Telearbeit umzustellen – auch jene, deren Unternehmenskultur ursprünglich nicht auf flexibles Arbeiten ausgelegt war. So mussten rund 60% der Arbeitnehmer in einigen europäischen Ländern auf einmal von zu Hause aus arbeiten.
Laut dem vor kurzem veröffentlichten Bericht “The Future of Workplace” (Die Zukunft des Arbeitsplatzes) seien Mitarbeiter zwar genauso produktiv gewesen wie vor der Krise, doch habe der Mangel an persönlichem Kontakt klare Spuren hinterlassen.
Dennoch weisen die Studienergebnisse darauf hin, dass 73% der Befragten auch nach der Pandemie feste Telearbeitsstrukturen in ihrem Unternehmen begrüßen würden (2).
Mehr zur Zukunft der Arbeit und der sich verändernden Bedeutung von Büros können Sie in unserem neuesten Blogbeitrag lesen
DIE VORTEILE DES FLEXIBLEN ARBEITENS
Im Rahmen eines Programms für eine kürzlich veröffentlichte CIPD-Studie (3) konnte ein Unternehmen während seiner dreimonatigen Phase flexiblen Arbeitens eine 30-prozentige Produktivitätssteigerung und einen 60-prozentigen Rückgang krankheitsbedingter Fehlzeiten verzeichnen.
Auch die Vorteile für den Umwelt- und Klimaschutz sind eindeutig. Berichte legen nahe[4], dass in den USA jährlich 54 Millionen Tonnen Treibhausgase eingespart werden könnten, wenn Arbeitnehmer mit telearbeitskompatiblen Arbeitsplätzen die Hälfte der Arbeitszeit von zu Hause aus arbeiten würden (dies entspricht einem Rückgang von 10 Millionen Autos auf den Straßen).
Vor der Pandemie boten schätzungsweise 61% der Unternehmen weltweit ihren Mitarbeitern Möglichkeiten des flexiblen Arbeitens an [5]. Doch obwohl Arbeitnehmern in Großbritannien die Beantragung flexibler Arbeitszeitmodelle gesetzlich zusteht, arbeiteten vor dem Ausbruch des Coronavirus weniger als 5% der gesamt 33 Millionen Arbeitnehmer vorwiegend von zu Hause aus. In Deutschland ist diese Zahl nur geringfügig höher, während sie europaweit in den Niederlanden und in Finnland mit jeweils mehr als 13% der Bevölkerung am höchsten ist.
Trotz der klaren Vorteile des flexiblen Arbeitens sind Führungskräfte in vielen Fällen nach wie vor nicht bereit, flexibles Arbeiten auf Dauer voranzutreiben. Dies scheint vor allem auf Unternehmen mit Führungskräften der älteren Generation zuzutreffen, für die die Bürokultur die Norm darstellt. In Unternehmen mit jüngerer Belegschaft ist zu beobachten, dass Millennials, die auf der Suche nach einer besseren Work-Life-Balance den Großstädten immer häufiger den Rücken kehren, mehr Flexibilität von ihren Arbeitgebern erwarten.
Aufgrund der Angst vor Veränderung waren viele Unternehmen nicht mit den erforderlichen internen Strukturen, der Arbeitskultur und der IT-Infrastruktur ausgestattet, um ihre Mitarbeiter im Home-Office zu unterstützen.
Die Veränderung von Einstellungen zu Produktivität und Vertrauen gestaltet sich jedoch als eher schwierig. Viele Unternehmen mögen zwar die Vorteile in Betracht ziehen, an einem anderen Standort als dem Büro zu arbeiten, doch sie berücksichtigen dabei oft nicht, dass flexible Arbeitszeiten und –prozesse für die Teamproduktivität unabdingbar sind.
Der Begriff „flexibles Arbeiten“ wird verwendet, um ein breites Spektrum von Arbeitsformen abzudecken, einschließlich (aber nicht beschränkt auf): Teilzeitarbeit, Jobsharing (bzw. Arbeitsplatzteilung), Gleitzeit, Arbeitszeitverkürzung, Jahresarbeitszeit und studienbegleitendes Arbeiten, Heimarbeit und mobiles Arbeiten.
FLEXIBEL UND FRAUENGEFÜHRT
Als Frau Dr. Birgit Memminger-Rieve 2001 die EnviroSustain GmbH gründete, sah sie das Unternehmensziel klar vor Augen:
“Zu der Zeit, in der wir EnviroSustain gründeten, war es ungewöhnlich, Arbeitnehmern so viel Flexibilität zuzugestehen. Ich war dennoch von Anfang an bestrebt, meinen Mitarbeitern nicht nur die Wahl des Standorts, sondern auch der Arbeitszeiten zu überlassen, um ihnen eine bessere Work-Life-Balance zu ermöglichen. Im Laufe der Jahre haben wir ein Team aus Experten gebildet, das sehr zufrieden mit unserer wertschätzenden Haltung ist. Wir unterhalten eine Hauptgeschäftsstelle in Berlin, in der 55 % unserer Mitarbeiter beschäftigt sind. Der andere Teil der Belegschaft arbeitet von sechs weiteren Standorten in Deutschland (Flensburg, Kassel, Frankfurt, Stuttgart, Ravensburg und München) sowie von Barcelona und Großbritannien aus”.
“Als im März der Lockdown in Deutschland und Großbritannien ausgerufen wurde, ermöglichten unsere bereits gut etablierten flexiblen Arbeitspraktiken eine schnelle Anpassung des Teams an die neue Situation. So wurde die Arbeit für unsere Kunden nicht weiter beeinträchtigt. Zudem konnte der zusätzliche Stress, der auf berufstätige Eltern als Folge der Schulschließungen zukam, durch unsere Förderung familienfreundlicher Praktiken abgemildert werden.
Als berufstätige Mutter und Geschäftsführerin lag es mir am Herzen, eine Kultur der Verantwortlichkeit zu schaffen, in der die Mitarbeiter wissen, dass man auf ihre eigenverantwortliche und selbstständige Arbeitsleistung vertraut. Wir ermöglichen unserem Team die Flexibilität, die es zur optimalen Gestaltung persönlicher Work-Life-Balance braucht. Dabei orientieren wir uns nicht an den Stunden, die unsere Mitarbeiter im Büro verbracht haben, sondern an den Ergebnissen ihrer Arbeit“.
Peakon [7], eine Echtzeit-Plattform für HR Themen, fand heraus, dass Mitarbeiter in frauengeführten Unternehmen im Vergleich zu Unternehmen unter männlicher Führung mehr Eigenverantwortlichkeit ausüben und insbesondere mit der Heimarbeitspolitik ihres Unternehmens zufriedener sind.
Dieser Ansatz hat zu einer nachhaltigeren und resilienteren Arbeitsweise bei EnviroSustain geführt, die es uns überhaupt ermöglicht hat, während der Pandemie den Erwartungen unserer Kunden weiterhin nachkommen zu können.
FLEXIBLES ARBEITEN ALS NORM STATT ALS PRIVILEG
Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese Arbeitsweise nicht für jeden oder jede Rolle geeignet ist, und eine Veränderung der Arbeitskultur trotz des gesellschaftlichen Drucks nicht über Nacht stattfinden kann. Die Vorteile überwiegen jedoch bei weitem die Nachteile des flexiblen Arbeitens.
Nach Angaben des Deutschen Ministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) möchten 40% der Deutschen nach der Pandemie zumindest gelegentlich weiterhin von zu Hause aus arbeiten. In Großbritannien zeigte der “COVID-19 Remote Working Survey” (Umfrage zur Telearbeit in Zeiten von COVID-19) [8] auf, dass 91% der britischen Arbeitnehmer nach der Pandemie mindestens einen Tag pro Woche von zu Hause aus weiterarbeiten möchten.
Die Arbeitswelt ist im Wandel begriffen. Die Telearbeit als standardisierte Arbeitsform wird sich u.a. auch durch die Entscheidung vieler Firmen, ihre Büroflächen zu reduzieren, weiter durchsetzen. Ein flexibler Arbeitsansatz kann dabei helfen, eine glücklichere, gesündere und produktivere Belegschaft zu fördern. Außerdem verschaffen flexible Arbeitsmodelle dem Unternehmen durch erfolgreichere Einbindung hochprofessioneller Mitarbeiter einen klaren Wettbewerbsvorteil.
DEN ÜBERGANG ZUM FLEXIBLEN ARBEITEN EINLEITEN
Ein aufschlussreicher und detaillierter CIPD-Bericht, der im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde, enthält zehn grundlegende Empfehlungen für Unternehmen, die die Einführung flexibler Arbeitszeiten in Erwägung ziehen:
- Stellen Sie dem Unternehmen und den einzelnen Mitarbeitern die Vorteile des flexiblen Arbeitens vor.
- Bestimmen Sie, welche Argumente, die für die Aufnahme des flexiblen Arbeitens in Ihrem Unternehmen sprechen, am überzeugendsten sind.
- Kommunizieren Sie über die Bedeutung des flexiblen Arbeitens und teilen Sie Erfolge mit, um etwaigen Missverständnissen entgegenzuwirken.
- Fördern Sie auf kreativem Wege flexible Arbeitspraktiken, um vor allem auch innovative Herangehensweisen an das flexible Arbeiten zu fördern und Flexibilität in Arbeitsrollen einzubauen, die ursprünglich als nicht geeignet dafür angesehen wurden.
- Streben Sie eine flexible Stellenbesetzung an und gestalten Sie die Positionen entsprechend dem flexiblen Arbeitszeitmodell (d.h. Vollzeitarbeitsplätze werden nicht in Teilzeitstunden gezwängt).
- Sichern Sie flexibel arbeitenden Mitarbeitern regelmäßig stattfindende Mitarbeitergespräche zu, um Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten zu besprechen.
- Legen Sie fest, in welchem Kontext das flexible Arbeiten gefördert werden soll und berücksichtigen Sie sowohl begünstigende als auch erschwerende Unternehmensfaktoren. Schaffen Sie eine unterstützende Unternehmenskultur, die durch das Management und die HR-Abteilung gefördert wird.
- Sichern Sie sich die Zustimmung der Führungskräfte zu, indem Sie Vorteile und Erfolgsgeschichten klar kommunizieren und Ihre kontinuierliche Unterstützung anbieten.
- Berücksichtigen Sie unterstützende als auch hindernde Faktoren auf Führungs-, Team- und Mitarbeiterebene.
- Erfassen und bewerten Sie in regelmäßigen Abständen die Entwicklung des flexiblen Arbeitens in Ihrem Unternehmen und passen Sie Ihre Strategie den quantitativen und qualitativen Ergebnissen entsprechend an.
[1] https://ec.europa.eu/jrc/sites/jrcsh/files/jrc120945_policy_brief_-_covid_and_telework_final.pdf https://www.eurofound.europa.eu/data/covid-19/working-teleworking
[2] https://www.cushmanwakefield.com/en/united-kingdom/insights/covid-19-impacts-uk-real-estate
[3] https://www.cipd.co.uk/Images/flexible-working-guide-2019-v2_tcm18-58713.pdf
[4] https://globalworkplaceanalytics.com/telecommuting-statistics
[6] https://www.owllabs.com/blog/coronavirus-work-from-home-statistics
[7] Gartner, Coronavirus in Mind: Make Remote Work Successful, 5 March 2020